
Wohnbebauung (Wettbewerb) in Halle (Süd)
Die alte Diesterwegschule, das Laubenhaus und das Dreigenerationenhaus – Wurzeln und Flügel
Das Projekt Mehrgenerationenwohnen II an der Diesterwegschule lebt auf in der respektvollen Begegnung und Gegenüberstellung von alt und jung, historisch und neu, massiv und leicht, bis hin zu streng und verspielt. Es schafft so ein anregendes Ambiente für alle, wahrt aber die Distanz, um Authentizität zu erhalten und Privatheit zu zulassen.
Der Städtebau: Spannungsfeld historisch und neu
Der Pestalozzipark zieht sich als verbindendes grünes Band durch die Gartenstadt Gesundbrunnen. Der „Schulenzwilling“ ist die städtebauliche Ausnahme im Bereich der Querung Diesterwegstraße, hier weitet sich das grüne Band auf. Dieses städtebauliche Konzept der „im Park stehenden Sonderbauten“ soll trotz der neuen Anforderung erhalten bleiben.
Durch Transkription der ursprünglichen städtebaulichen Idee, der von Nutzungen eingerahmten Turnwiese zur von luftiger Bebauung gefassten Gemeinschaftsfläche, werden nicht nur funktionale Knackpunkte gelöst. Es entsteht auch der notwendige Achtungsabstand zur denkmalgeschützten Substanz mit seiner vorgelagerten großen Grünfläche. Dem Denkmal wird sein Raum gelassen – die Wirkung der ehemaligen Diesterwegschule bleibt also auch hofseitig erhalten.
Die Anordnung der Baukörper berücksichtigt darüber hinaus noch folgende städtebauliche Aspekte und reiht sich so harmonisch in das Umfeld ein:
- Schließung der städtebauliche Kante zum südlichen Pestalozzipark mit einem in der Körnung dem Projekt Mehrgenerationenwohnen I angelehnten Baukörper im Südwesten.
- Berücksichtigung der gebietstypischen Aufweitungen des Straßenraums durch kleinen Versatz der Baufluchten.
- Die Abschirmung des Straßenlärms und somit Schaffung eines attraktiven Freiraums und ruhiger Wohnlage für alle.
Die Fassaden: Gegenstücke massiv und leicht
Die Ansichten des Altbaus bleiben gemäß der denkmalpflegerischen Zielsetzung möglichst authentisch erhalten. Der südwestliche Neubau nimmt die Stelle der damals geplanten Erweiterung ein und hofseitig die geputzte Fassadenstruktur des Bestandes auf. Er transportiert so das Bild der ursprünglich geplanten „massiven Klammer“ um die Turnwiese.
Die hofseitige Fassade des straßenbegleitenden Baukörpers dagegen entmaterialisiert das Gebäudevolumen mit seiner durchgängigen solaren Vorzone. Diese optische Auflösung der Fläche wird durch die Fassadenbegrünung noch verstärkt. Dieses verbindende Gestaltbild kann jeder Bewohner mit seiner Balkonbepflanzung durch blühende Akzente zu einer gemeinschaftlichen Ansicht ergänzen.
Die straßenseitigen Fassaden nehmen in Materialität und Struktur den Duktus der umgebenden Bebauung auf, erlauben sich aber trotzdem eine zeitgenössische Eigenständigkeit. Auch die Dächer zitieren das Thema der Walmdächer, verfremden dieses jedoch in Formung und Materialität, um die Sonderstellung der Schule ablesbar zu lassen.
Das Laubenhaus: Begegnung alt und jung
Durch diese Figur werden für alle Wohnungen optimal besonnte Grundrisse möglich und es ergibt sich eine wirksame Abschirmung gegen den Straßenlärm. Auch die Laubengangerschließung ist Schallschutz, daneben aber noch Wärmepuffer und sie ermöglicht die perfekte Ausnutzung der Erschließungskerne und – aufzüge. Im Prinzip spiegelt das Laubenganghaus die Erschließungsstruktur des Altbaus wieder.
Begegnung und Gemeinschaftsgefühl wird zusätzlich gefördert durch:
- die Reduktion auf wenige Erschließungskerne
- die Kommunikationsfläche Laubengang
- über die Durchmischung der Wohnungsgrößen
Alle Neubauwohnungen sind auch im Flurbereich barrierearm geplant, die im Laubenhaus sogar durchgängig barrierefrei erschlossen. Das Raumgefühl der Wohn- und Schlafzimmer weitet sich immer durch großzügige bodentiefe Verglasungen um die Fläche der Balkonterrassen. Die Küchen sind mit Schiebewänden abtrennbar.
Die Altbauwohnungen im EG lassen sind durch ein eingestelltes, mit Glasfuge von der Decke abgesetztes, Möbel in die Funktionen gegliedert und lassen so den Raum wirksam bleiben. Die Maisonetten im OG bieten Raum für eine Familie. Die gerade einläufige Treppe kann aber mit einem einfachen Treppenlift ausgestattet werden und so wird die Wohnung auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen attraktiv.
Das Drei-Generationenhaus: Miteinander alt und jung
Der kleine Dreispänner-Neubau im südwestlichen Grundstücksteil ist als Dreigenerationenhaus mit einer Drei- und einer Vierzimmerwohnung und dazwischen geschaltetem Zweizimmerappartement geplant. Das Appartement ist eine sogenannte „Koppelwohnung“, kann also je nach Anforderung, einer der Wohnungen „zugeschaltet“ werden. In diesem Haus können neben konventionellen Mietern so auch besonderen Nutzeranforderungen Rechnung getragen werden, wie zum Beispiel
- kinderreiche Familien
- Patchwork-Familien
- Familien mit erwachsenen Kindern
- Gemeinschaftliche Wohnsituationen, wie die berufstätiger Alleinerziehender in Kombination mit den Großeltern
Die Außenanlagen: Zusammenspiel alt und jung
Die Gestaltung der Außenanlagen wird durch fließende Linien bestimmt. Leicht modellierte Inseln bilden eine großzügige Kulisse. Ein Gewebe aus Wegen verbindet absichtlich nicht die Ein- und Ausgänge rein funktional. Die geschwungenen Formen laden eher zum Anschauen, Schlendern und Verweilen ein. Durch sie und dem Zusammenspiel der großen Bestandsbäume, der neuer Bänder aus Gräsern und blühenden Sträuchern, wird aus der ehemaligen Turnwiese ein Aufenthaltsbereich für alle Generationen.
Die Idee des Mehrgenerationenwohnens drückt sich in der Außenanlagengestaltung aus in
- dem Brückenschlag und der Hinführung zum Projekt Mehrgenerationenwohnen I in der Außenanlagengestaltung.
- einem kleinen, über die Fläche verteilten, Sport- und Spielparcour für jung und alt.
- der großen, zusammenhängenden gemeinschaftlichen Grünfläche
Der Nordflügel: Die zentrale Stelle mit quartiersbezogenen Sondernutzungen
Im Nordflügel des Altbaus werden Sondernutzungen vorgeschlagen. Hier könnten sich konventionelle Nahversorger wie Arztpraxen, Physiotherapie oder andere Dienstleister ansiedeln.
Es könnte aber auch ein repräsentativer Sitz der Genossenschaftsverwaltung als zentraler Punkt für das gesamte Gebiet werden. Das Turmzimmer könnte Atelier für Kurse und Veranstaltungen mit maximal acht Personen (Brandschutzauflage) sein. Ergänzt durch ein Quartierszentrum im EG mit Beratungs- und Gemeinschaftsfunktionen und im Zusammenspiel mit dem beeindruckenden grünen Hof entsteht so eine signifikante Anlaufstelle und repräsentativer Identifikationspunkt mitten im Einzugsgebiet der Genossenschaft – dies wiederum als Sinnbild der großen Gemeinschaft und des genossenschaftlichen Gedankens.
Die kleine erdgeschossige Einheit im Westflügel wird experimentell als „Boarding-Wohnung“ vorgeschlagen. Diese möblierte Einheit kann Musterwohnung sein und für temporäre Zeiträume gebucht werden. Zum Beispiel für Gäste, als Ausweich oder zur Pufferung zwischen Wohnungswechseln